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Textilien von der Entkörnung der Baumwolle bis zur fertigen Hose verfolgen

Nachhaltiger produzierte Bekleidung und Textilien sind schon lange kein Nischenthema mehr. Die Ansprüche an T-Shirts, Hosen und Co. sind bei einem großen Teil der Konsumenten höher geworden. Die Bekleidungsindustrie reagiert mit umfangreichen Bemühungen für eine umweltfreundlichere Produktion, da Kunden sich nicht mehr mit reinen Lippenbekenntnissen zufriedengeben. Textile Wertschöpfungsketten müssen transparent sein, damit sie das langfristige Vertrauen der Verbraucher gewinnen können. Mithilfe modernster Methoden kann Baumwolle schon heute von der Entkörnung bis zur fertigen Bluse zurückverfolgt werden – ein wichtiger Schritt Richtung Green Economy.

Über fünf Milliarden Kleidungsstücke hängen in Deutschlands Schränken, Tendenz steigend. Gleichzeitig versucht die Textilindustrie, die Mengen an CO2-Ausstoß, Wasserverbrauch und Mikroplastik zu senken. Denn das Bewusstsein der Konsumenten für ökologische Standards steigt und ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aufgrund dieser Entwicklung bewerben Modeketten die nachhaltigen Segmente ihrer Kollektionen mit aufwändigen Kampagnen.

Gefragt sind vor allem ganzheitliche und glaubwürde Ansätze, die eigene Bemühungen um mehr Umweltfreundlichkeit nachweisen und den Verbrauchern vermitteln. Rund ein Drittel der Modeunternehmen sind bereits entscheidende Schritte mit Blick auf Umwelt- und Sozialperformance gegangen, wie etwa aus der Studie „Pulse of the Fashion Industry“ hervorgeht.

Transparenz ist Trumpf

Ein Beleg für das Interesse der Branche an einer nachhaltigeren Herstellung und umweltverträglichen Produkten sind auch die gestiegenen Bemühungen der Unternehmen um hochwertige Transparenzverfahren. Verantwortliche können aufgrund der Transparenz von Textilien und Kleidung über die gesamte Lieferkette hinweg beurteilen, wie nachhaltig ihr Produkt bezogen wurde. Beispielsweise in puncto Herkunft, Umweltauswirkungen, Hersteller und Produktionsbedingungen.

Komplexe Lieferketten gehen oft mit mangelnder Durchsichtigkeit einher, was wiederum die Verbesserung der Nachhaltigkeit erschwert. Eine vollständige Kenntnis der Lieferkette ist aber unerlässlich, um die Verbindung zwischen der nachhaltigen Beschaffungspolitik des Unternehmens und den tatsächlichen Nachhaltigkeitsergebnissen aufzuzeigen. Die meisten Unternehmen, die nachhaltigere Baumwolle beziehen, arbeiten aus diesem Grund mit Zertifizierungsinitiativen zusammen.

Ein Beispiel aus der Praxis für derartige Zertifizierungen ist die Baumwoll-Initiative „U.S. Cotton Trust Protocol“. Das Trust Protocol konzentriert sich auf die Baumwollproduktion in den Vereinigten Staaten. US-Baumwolle gehört bereits zu den am nachhaltigsten angebauten Baumwollsorten der Welt; nur wurde dies bis zum Jahr 2020 nicht immer adäquat erfasst und quantifiziert. Die Charta schafft messbare und verifizierbare Ziele und Messgrößen für eine nachhaltigere Baumwollproduktion und treibt deren kontinuierliche Optimierung voran.

Einzelhändler können mithilfe dieser Verfahren Behauptungen über Produkte und Praktiken validieren und gegenüber den Verbrauchern kommunizieren. Die Konsumenten können sich so auf den nachhaltigeren Ursprung eines Produkts verlassen, wodurch ihr Vertrauen und die Bindung an den Händler oder die Marke steigt. Letztere profitieren durch eine erhöhte Glaubwürdigkeit. Lieferanten verzeichnen dank einer lückenlosen Transparenz ein optimiertes Management der Lieferkette, wodurch sich auch die Versorgungssicherheit erhöht.

Blockchain-Technologie und individuelle Identifikationsnummern

Die Transparenz der Lieferkette wird durch die sogenannte Protocol Consumption Management Solution (PCMS) gewährleistet, die den Mitgliedern des U.S. Cotton Trust Protocol die Möglichkeit gibt, sogenannte Protocol Cotton Consumption Units zu erhalten. Das System basiert auf der von den teilnehmenden Landwirten tatsächlich geernteten Menge an Rohfasern. Sobald ein Kilogramm Baumwolle den Entkörnungsprozess durchlaufen hat, wird die Einheit auf ihre Echtheit geprüft und mit einem individuellen Barcode in die Blockchain eingeführt. Diese Identifikationsnummer ist mit der Entkörnungsanlage, dem Klassifizierungsbüro und den Qualitätsdaten der Baumwolle verknüpft. Diese präzise Dokumentationsmethode gibt den Käufern in der gesamten Lieferkette die Gewissheit, dass die von ihnen erworbenen Produkte nicht auf dem Weg ausgetauscht worden sind. In jeder Phase des Verarbeitungs- und Lieferprozesses erfolgen eine Prüfung der Bestellung sowie eine Messung und Bestätigung der Menge.

Die PCMS unterscheidet sich von vergleichbaren Lösungen durch die intelligente Kombination der Technologien der Protocol Plattform und der TextileGenesis-Plattform. Auf diese Weise wird ein unübertroffenes Maß an Transparenz bis hin zum einzelnen Kleidungsstück in der Auslage erreicht. Jedes Mitglied der Initiative kann eine bestimmte Anzahl an Protocol Consumption Units anfordern, die erst mit dem Erwerb der entsprechenden Trust Protocol-Faser eingelöst werden können. Dieses System ermöglicht es Marken und Einzelhändlern, ihr Umweltengagement in Bezug auf die sechs zentralen Nachhaltigkeitskriterien Landnutzung, Bodenkohlenstoff, Wassermanagement, Bodenverlust, Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch gegenüber ihren Kunden und anderen Stakeholdern zu belegen.

Verifizierte Daten sind unerlässlich

Den ökologischen Fußabdruck der Trust Protocol-Baumwolle messen die Verantwortlichen direkt auf den Baumwollfeldern. Das Trust Protocol kooperiert hierbei mit seinem Datenpartner Field to Market, der den FieldPrint Calculator entwickelt hat. Dank dieses Tools ist es möglich, den Fortschritt der Baumwollfarmer grafisch aufzubereiten. Die Datensätze werden gebündelt und den Partnerunternehmen des Trust Protocol für deren Nachhaltigkeitsberichte übermittelt. Darüber hinaus beinhaltet das Trust Protocol ein umfassendes Verifizierungsprogramm. Die Leistung der Baumwollfarmer wird anhand der Kriterien des Protocol überprüft und anschließend durch Control Union Certifications North America als unabhängigen Dritten verifiziert.

Unternehmen stehen zunehmend in der Verantwortung, Nachhaltigkeitsgrad, Qualität und Herkunft ihrer Textilien zu kommunizieren. Nur wenn die Daten verifiziert werden, haben sie für Händler und Produzenten einen realen Wert und können für vertrauensstiftende Kommunikation mit den Verbrauchern verwendet werden. Wer sich auf lange Sicht am Markt behaupten möchte, muss transparenter und nachhaltiger agieren. Auch die staatliche Regulierung könnte in Zukunft weiter steigen und zusätzliche Anpassungen erfordern. Die Umwelt zu respektieren und sie in die Geschäftsstrategie einzubeziehen, lohnt sich – nicht nur der Umwelt zuliebe, sondern auch im Hinblick auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Mit der richtigen Umsetzung kann so ein Meilenstein geschaffen werden auf dem Weg in die Green Economy.

Über den Autor:
Gary Adams ist seit 2015 Präsident des National Cotton Council of America, der größten Interessensvertretung der Baumwollindustrie in den Vereinigten Staaten. Außerdem vertritt er die Baumwollindustrie im Ausschuss für Agrarpolitik des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA). Als promovierter Agrarökonom ist er in der landwirtschaftlichen Forschung an der Universität Missouri unter anderem für das Food and Agricultural Policy Research Institute (FAPRI) tätig gewesen. Er begann, seinen Schwerpunkt auf nachhaltigere Anbaumethoden zu setzen, was ihn schließlich dazu brachte, dem National Cotton Council beizutreten und im Jahre 2020 die Nachhaltigkeitsinitiative U.S. Cotton Trust Protocol mitzugründen
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